DGW erinnert – 28. November 1973

(Gastbeitrag) Dudweiler Bürger protestierten in Saarbrücken gegen die drohende Eingemeindung

Heute vor 50 Jahren – Ein ebenso kalter und verhangener, teils auch verregneter Novembertag.

Mit Sonderbussen und einem Sonderzug bewegen sich rund 4.000 Dudweilerer in der beginnenden Abenddämmerung nach Saarbrücken und treffen sich dort am Hauptbahnhof. An der Spitze: Eine Abordnung – bestehend aus den Mitgliedern des Bürgerkomitees gegen die von der Landesregierung geplante Eingemeindung der Stadt Dudweiler in die Stadt Saarbrücken. Vor dieser Gruppe halten sechs junge Frauen aus Dudweiler eine große, ausgebreitete Dudweiler Fahne in ihrer Mitte, flankiert von Fackelträgern. Zwischendrin mehrere Musikzüge aus Dudweiler. Eine Vielzahl von Ordnern, u. a. aus dem Bereich der Dudweiler Freiwilligen Feuerwehr, der städtischen Mitarbeiter und der örtlichen Politik, sichern den Zug durch die Saarbrücker City zum Landtag.

Begleitet wurde der Protestzug auch von einer deutlich hohen Zahl an Polizeibeamten – jeweils im Abstand von etwa zehn Metern und alle in langen weißen Mänteln. Die Angst des das Gesetzgebungsverfahren betreibenden Innenministers Ludwig Schnur und seiner Polizeiführung vor einem vermuteten Dudweiler Bürgerzorn war offensichtlich erheblich. Selbst vom Autor beobachtet, stand auf dem Schlossplatz eine Hundertschaft der Saarländischen Bereitschaftspolizei – aufgesessen auf Mannschaftstransportern – in Wartestellung, um je nach Polizeilage eingreifen zu können. Der Kommandostand mit quäkendem Funkgerät befand sich im Schlossgarten auf der halbrunden Bastion direkt über der Spitze des an der westlichen Grenze der Bannmeile zum Schutz des Landtages ankommenden Protestzuges.

Hier werden protestierenden Bürger gestoppt von einer Polizeikette, gebildet von einer dichten Reihe ebenfalls in lange weiße Mäntel gekleideter Polizisten. Der Antrag des veranstaltenden Bürgerkomitees auf Aufhebung der Bannmeile um den Landtag, die im Westen an der Einmündung der Spichererbergstraße in die Franz-Josef-Röder Straße – damals noch Hindenburgstraße – beginnt, war vorher abgelehnt worden. Der Protestzug muss daher unterhalb der Schlossmauer verharren. Nur einer Abordnung ist es erlaubt, den Landtag zu betreten und dem Landtagspräsidenten Dr. Hans Maurer das Ergebnis der Befragung der Dudweiler Bürger zum drohenden Verlust der kommunalen Selbständigkeit zu übergeben.

Josef Marian, damals in verantwortlicher Position im Dudweiler Hauptamt, hat in seinem Artikel “Die Verwaltungs- und Gebietsreform 1973/74”, nachzulesen in “Dudweiler 977-1977”, Hrsg. Landeshauptstadt Saarbrücken – Stadtbezirk Dudweiler, 1977, auf Seiten 12 ff., in einer nachlesenswerten und kompakten Darstellung die wesentlichen Umstände sowie Vorgeschichte und Folgen jener nun 50 Jahre zurückliegenden Ereignisse dargestellt.

Zur Protestdemonstration sei er hier auszugsweise zusammen mit dem dort abgedruckten, in der Saarbrücker Bahnhofstraße aufgenommenen Foto zitiert (a. a. O., S. 16 f.);

>> Der 28. November 1973 war ein kalter Tag. Für 4 000 Dudweiler Bürger wurde er zur Stern­stunde der Demokratie. Sie marschierten diszipliniert, begleitet von Spielmanns- und Fanfaren­zügen, Transparente und Fackeln tragend vom Hauptbahnhof Saarbrücken zum Gebäude des saarländischen Landtages. Sechs Mädchen trugen die Fahne der Stadt Dudweiler am Anfang des Zugs.

„Der Wählerwille muß respektiert werden”, „Eingemeindung nicht über die Köpfe der Bürger”, „Dudweiler kann sich selber verwalten” stand auf den vielen Spruchbändern, die im Zug mitgeführt wurden. … Die Demonstranten wur­den vor der Bannmeile von einer starken Polizeikette aufgehalten. In Sprechchören brachten die Demonstranten ihren Unwillen über die Sperrung der Bannmeile zum Ausdruck. Landtagspräsident Dr. Maurer empfing im Landtag eine Abordnung des Bürgerkomitees. Der Vorsitzende des Bürger­komitees, Professor Dr. Dr. h. c. Gerhard Lüke, übergab eine Petition, die von 15 000 Dudweiler Bürgern unterschrieben war. Erstmals waren im Saarland Bürger angetreten, um in eindrucksv­oller Art und Weise für die Erhaltung der kommunalen Selbstverwaltung ihrer Stadt einzutreten. In einem kurzen, sachlichen Gespräch trug Professor Dr. Dr. h. c. Lüke dem Landtagspräsidenten Dr. Maurer erneut die Beweggründe vor, warum die Bürger von Dudweiler ihre kommunale Selbständigkeit behalten wollten. Nun hatte das Parlament das letzte Wort. <<

Die Demontration blieb, wie von Dudweiler Seite von vorneherein erwartet, weiterhin friedlich, blieb letzlich in der Sache aber erfolglos. Am 19. Dezember 1973 wurde vom Saarländischen Landtag das Neugliederungsgesetz beschlossen, mit dem “die Stadt Dudweiler mit anderen Gemeinden und der alten Stadt Saarbrücken aufgelöst und am 1. Januar 1974 die neue Landeshauptstadt Saarbrücken gegründet” (a. a. O., S. 17) worden ist.

Die Dudweiler Geschichtswerkstatt plant in ihrem nächsten Band der “Historischen Beiträge aus der Arbeit der Dudweiler Geschichtswerkstatt”, dessen Veröffentlichung für Dezember 2024 projektiert ist, eine umfassende Darstellung dieses für Dudweiler einschneidenden Ereignisses des Verlustes der kommunalen Selbständigkeit.

Persönliche Erinnerungen, Hinweise und Fotos zur Thematik sind erwünscht. Kontaktadresse der Geschichtswerkstatt zu finden auf: www.dudweiler-geschichtswerkstatt.de

Autor: Helmut Sauer, DGW

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